Werbung mit Sternebewertungen: Was Unternehmen und Verbraucher wissen müssen
Der Streit entfachte sich an der Werbung eines Unternehmens, das Vermittlungsdienstleistungen für Immobilienverkäufer und Makler anbietet. Das Unternehmen warb auf seiner Website mit einer durchschnittlichen Sternebewertung, ohne jedoch anzugeben, wie viele Bewertungen dieser Durchschnitt zugrunde lagen oder über welchen Zeitraum die Bewertungen gesammelt wurden. Zudem wurde die Verteilung der Bewertungen auf verschiedene Sterneklassen (z. B. 5 Sterne, 4 Sterne usw.) nicht dargelegt.
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, argumentierte, dass diese Praxis irreführend sei und gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verstoße. Die Werbung vorenthalte wesentliche Informationen, die Verbraucher für eine fundierte Kaufentscheidung benötigten. Im Fokus stand dabei insbesondere § 5a Abs. 1 UWG, der Unternehmen verpflichtet, alle wesentlichen Informationen bereitzustellen, die für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sind.
Rechtliche Grundlage: § 5a Abs. 1 UWG
5a Abs. 1 UWG definiert, dass eine geschäftliche Handlung unlauter ist, wenn sie wesentliche Informationen vorenthält, die der Verbraucher benötigt, um eine fundierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Die zentrale Frage im Verfahren war somit, ob die fehlende Angabe der Gesamtzahl der Bewertungen, des Bewertungszeitraums und der Verteilung der Sternebewertungen solche wesentlichen Informationen darstellen.
Entscheidungen der Vorinstanzen
Das Landgericht Hamburg gab der Klage teilweise statt. Es entschied, dass das Fehlen der Angaben zur Gesamtzahl der Bewertungen und zum Zeitraum, über den diese gesammelt wurden, die Werbung unzulässig mache. Diese Informationen seien notwendig, um den Kontext der Durchschnittsbewertung zu verstehen. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Sterneklassen sei jedoch nicht erforderlich.
Das Oberlandesgericht Hamburg bestätigte dieses Urteil. Es führte aus, dass die Verteilung der Sterneklassen für Verbraucher zwar nützlich sei, aber nicht zwingend erforderlich, da ein durchschnittlich informierter Verbraucher bereits wisse, dass eine Durchschnittsbewertung aus guten und schlechten Einzelbewertungen besteht. Die Revision der Klägerin wurde daraufhin an den BGH weitergeleitet.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs
Der BGH wies die Revision der Klägerin zurück und bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Die Richter führten aus, dass die fehlende Aufschlüsselung nach Sterneklassen keine wesentliche Information im Sinne des § 5a Abs. 1 UWG darstelle.
Wesentliche Informationen: Gesamtzahl und Zeitraum
Der BGH stellte klar, dass Unternehmen verpflichtet sind, die Gesamtzahl der Bewertungen und den Bewertungszeitraum anzugeben. Diese Angaben ermöglichen es Verbrauchern, die Aussagekraft einer Durchschnittsbewertung besser einzuschätzen. „Die Gesamtzahl der Bewertungen und der Zeitraum, über den diese gesammelt wurden, liefern dem Verbraucher wesentliche Kontextinformationen, die ihm ermöglichen, die Zuverlässigkeit und Aussagekraft der Bewertung zu bewerten,“ so der BGH.
Aufschlüsselung nach Sterneklassen nicht zwingend erforderlich
Die Klägerin hatte argumentiert, dass die detaillierte Angabe der Verteilung nach Sterneklassen (z. B. wie viele 5-Sterne- und wie viele 1-Sterne-Bewertungen vorliegen) notwendig sei, um eine informierte Entscheidung zu treffen. Der BGH sah dies anders:
„Der durchschnittliche Verbraucher weiß aus seiner allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Durchschnittsbewertung sowohl gute als auch schlechte Einzelbewertungen umfassen kann. Er ist in der Lage, die Aussagekraft einer Durchschnittsbewertung auch ohne Aufschlüsselung nach Sterneklassen zu erfassen,“ erklärten die Richter.
Zudem wies das Gericht darauf hin, dass eine Aufschlüsselung nach Sterneklassen keinen Einblick in die konkreten Gründe für die Bewertungen gebe. Die Angabe der Sterneklassen sei daher nicht geeignet, die Entscheidungsfindung des Verbrauchers in wesentlicher Weise zu beeinflussen.
Transparenz und Verbraucherverständnis
Der BGH betonte, dass nicht jede unvollständige Information automatisch unlauter sei. Entscheidend sei, ob die fehlenden Angaben geeignet seien, die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zu beeinflussen. „Nicht jede fehlende Transparenz führt zu einem Wettbewerbsverstoß. Es muss geprüft werden, ob die fehlende Information für die Entscheidungsfindung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung ist,“ heißt es in der Urteilsbegründung.
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Praktische Konsequenzen für Unternehmen
Das Urteil schafft wichtige Klarheit für Unternehmen, die Sternebewertungen als Marketinginstrument nutzen:
- Angabe der Gesamtzahl und des Zeitraums ist Pflicht: Unternehmen müssen sicherstellen, dass diese wesentlichen Informationen bei der Werbung mit Durchschnittsbewertungen angegeben werden. Das Fehlen dieser Angaben könnte als irreführend angesehen werden.
- Keine Pflicht zur Aufschlüsselung nach Sterneklassen: Die detaillierte Verteilung der Bewertungen ist nicht zwingend erforderlich. Unternehmen können daher mit Durchschnittsbewertungen werben, ohne diese zusätzlich aufzuschlüsseln.
- Vermeidung von Irreführung: Unternehmen sollten sicherstellen, dass die verwendeten Bewertungen repräsentativ und nicht veraltet sind. Eine unvollständige oder verzerrte Darstellung könnte dennoch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
- Stärkung des Verbrauchervertrauens: Transparenz bleibt ein entscheidender Faktor. Auch wenn die Angabe der Sterneklassen nicht verpflichtend ist, könnte sie dazu beitragen, das Vertrauen der Verbraucher in die Bewertungen zu stärken.
Bewertung des Urteils
Das Urteil wird von der Wirtschaft als positiv bewertet, da es Unternehmen erlaubt, mit Durchschnittsbewertungen zu werben, ohne detaillierte Angaben zu machen. Kritiker, insbesondere aus dem Verbraucherschutz, sehen in der fehlenden Verpflichtung zur Aufschlüsselung jedoch eine potenzielle Gefahr der Irreführung. Verbraucher könnten durch unvollständige Angaben ein verzerrtes Bild der Bewertungslage erhalten.
Argumente für das Urteil
- Praxisnähe: Das Urteil berücksichtigt die realistischen Erwartungen eines durchschnittlichen Verbrauchers, der in der Lage ist, Durchschnittsbewertungen korrekt zu interpretieren.
- Rechtsklarheit: Unternehmen erhalten klare Vorgaben, welche Angaben notwendig sind und welche nicht.
- Effizienz: Die Entscheidung verhindert eine Überregulierung, die Unternehmen mit zusätzlichen Dokumentationspflichten belasten würde.
Kritische Stimmen
Verbraucherschützer argumentieren, dass detailliertere Angaben zur Verteilung der Bewertungen die Transparenz erhöhen und die Entscheidungsfindung erleichtern könnten. Zudem bestehe die Gefahr, dass Unternehmen gezielt Bewertungen auswählen, um Durchschnittswerte zu manipulieren.
Rechtlicher Kontext und zukünftige Auswirkungen
Das Urteil stützt sich auf die bestehende Rechtslage, insbesondere § 5a UWG, und präzisiert die Anforderungen an die Werbung mit Kundenbewertungen. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber in Zukunft weitergehende Transparenzpflichten einführt, etwa durch eine Verpflichtung zur detaillierten Aufschlüsselung nach Sterneklassen.
Für Verbraucher ist es ratsam, bei der Interpretation von Durchschnittsbewertungen auch die Gesamtzahl und den Zeitraum der Bewertungen zu berücksichtigen. Unternehmen, die diese Angaben nicht machen, könnten das Vertrauen ihrer Kunden riskieren, auch wenn sie rechtlich nicht zur Angabe verpflichtet sind.
Fazit
Das BGH-Urteil I ZR 143/23 schafft Rechtssicherheit für Unternehmen, die mit Sternebewertungen werben. Es stellt klar, dass die Angabe der Gesamtzahl der Bewertungen und des Zeitraums ausreichend ist, um den Anforderungen des UWG zu genügen. Eine detaillierte Aufschlüsselung nach Sterneklassen ist hingegen nicht erforderlich.
Die Entscheidung betont die Bedeutung des Verbraucherverständnisses und stellt praxisnahe Anforderungen auf, die sowohl den Interessen der Unternehmen als auch den Informationsbedürfnissen der Verbraucher gerecht werden. Dennoch bleibt Transparenz ein Schlüsselthema, das Unternehmen proaktiv nutzen sollten, um das Vertrauen ihrer Kunden zu stärken und sich im Wettbewerb zu differenzieren.