Wann sind Bewertungen unzulässig? Das sagen die Gerichte.
Negative Google-Bewertungen können erheblichen Schaden für Unternehmen verursachen. Eine Möglichkeit zur Abhilfe besteht darin, solche negative Google-Bewertungen löschen zu lassen, wenn sie gegen Google-Richtlinien oder geltendes Recht verstoßen. Plattformbetreiber sind in diesem Fall verpflichtet, beanstandete Bewertungen zu prüfen und können sogar haftbar gemacht werden, wenn sie dies unterlassen.
Gerichte haben in verschiedenen Urteilen die Grenzen bei Online-Bewertungen festgelegt. Wir haben nachstehend die wichtigsten Entscheidungen einmal aufgelistet und in aller Kürze zusammengefasst.
Negative Bewertungen löschen lassen: Was sagen die Gerichte?
1. Allgemeine Entscheidungen:
11.03.2011: OLG Düsseldorf – Az. I-15 W 14/11- Keine Löschung negativer Bewertung
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat in einem Eilverfahren entschieden, dass ein Ebay-Verkäufer, der auf eine negative Bewertung eines Käufers reagiert, in der Regel nicht das Recht hat, die Löschung dieser Bewertung zu verlangen.
Im zugrunde liegenden Fall erwarb eine Käuferin im November 2010 über die Ebay-Plattform einen Computermonitor zum Preis von 144,90 Euro. Nachdem sie von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht und den Monitor an die Verkäuferin zurückgesandt hatte, weigerte sich diese, den Kaufpreis zu erstatten. Die Verkäuferin behauptete, der Monitor sei aufgrund unzureichender Verpackung durch die Käuferin beschädigt worden.
Am 21.12.2010 veröffentlichte die Käuferin daraufhin auf dem Ebay-Bewertungsportal folgenden Kommentar: „Finger weg!! Hat seine Ware zurückerhalten, ich aber nie mein Geld.“ Die Verkäuferin reagierte mit der Antwort: „Fahrlässigkeit beschädigtes LCD bitte alles lesen auf unserer mich Seite Anfang“ und forderte die Käuferin auf, die negative Bewertung zu löschen. Sie argumentierte unter anderem, dass sie aufgrund der negativen Bewertung Umsatzeinbußen erlitten habe.
Das Landgericht Düsseldorf hatte den Anspruch auf Löschung der Bewertung am 20.01.2011 abgelehnt.
Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts bestätigte diese Entscheidung im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens am 28.02.2011. Das Ebay-Bewertungssystem ermögliche es den Beteiligten, im Falle eines Konflikts ihre Sichtweisen darzulegen. Insbesondere im Eilverfahren könne daher eine Löschung in der Regel nicht verlangt werden. Zudem sei die Aussage „hat seine Ware erhalten, ich aber nie mein Geld“ im Kern nicht offensichtlich unwahr, und auch die Formulierung „Finger weg“ überschreite nicht die Grenze zur Schmähkritik.
17.10.2014: OLG München -18 W 1933/14- Auch Benotung muss gelöscht werden
Das Oberlandesgericht München entschied am 17.10.2014, dass sowohl falsche Tatsachenbehauptungen als auch darauf basierende negative Bewertungen auf einem Ärztebewertungsportal gelöscht werden müssen. Der Fall betraf einen Arzt, der gegen schlechte Bewertungen auf einem Bewertungsportal vorging, die auf unwahren Behauptungen basierten. Beispielsweise wurde fälschlicherweise behauptet, der Arzt habe sich während eines Hörtests mit seiner Sprechstundenhilfe unterhalten, was zur Bewertung „kein guter Arzt“ führte.
Der Arzt konnte erfolgreich nachweisen, dass die Behauptungen unwahr waren, woraufhin das Gericht ihm einen Unterlassungsanspruch zusprach. Das Gericht stellte klar, dass ein Werturteil, das auf einer unwahren Tatsache basiert, nicht isoliert betrachtet werden kann; beides „stehe und falle“ zusammen. Wenn die Tatsachenbehauptung unwahr ist, muss nicht nur diese gelöscht werden, sondern auch die darauf basierende Bewertung.
Das Gericht befand zudem, dass das Bewertungsportal als „Störer“ haftet, da es die unwahren Behauptungen trotz Hinweisen nicht gelöscht hatte. Obwohl das Portal die Beanstandung an den Bewertenden weitergeleitet hatte, reichte dies nicht aus, um seiner Verantwortung nachzukommen. Das Urteil betont die Verpflichtung von Bewertungsportalen, sowohl unwahre Behauptungen als auch die darauf basierenden Bewertungen zu entfernen, um die Rechte der Betroffenen zu schützen.
01.03.20216: BGH – Az. VI ZR 34/15 – Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 1. März 2016 (Az. VI ZR 34/15) ein Urteil gefällt, das sich mit dem Umgang von Bewertungsplattformen wie jameda mit Fake-Bewertungen beschäftigt. Der Fall drehte sich um einen Zahnarzt, der auf jameda.de eine negative Bewertung mit einer Gesamtnote von 4,8 und den Noten 6 in den Kategorien „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“ erhielt, ohne weitere Erläuterungen. Der Zahnarzt bestritt, dass der Nutzer überhaupt von ihm behandelt worden sei, und verlangte die Löschung der Bewertung sowie die Herausgabe der Nutzerdaten, was jameda verweigerte.
Der BGH entschied:
- Jameda haftet nicht direkt für rechtsverletzende Bewertungen und muss nicht alle Bewertungen vor Veröffentlichung prüfen.
- Jameda haftet jedoch, wenn sie nach einem Hinweis auf eine rechtsverletzende Bewertung nicht ausreichend prüft.
- Der Prüfaufwand von jameda darf nicht den wirtschaftlichen Betrieb gefährden oder unverhältnismäßig erschweren.
- Bewertungsportale tragen ein erhöhtes Risiko für Persönlichkeitsrechtsverletzungen, besonders bei anonymen Bewertungen.
- Jameda muss Beanstandungen sorgfältig prüfen, den Bewertenden informieren und ihn zur Stellungnahme auffordern. Der Bewertende muss den Behandlungskontakt nachweisen können und entsprechende Unterlagen vorlegen, die jameda dann dem Arzt weiterleiten muss.
Das Urteil stärkt die Rechte der Ärzte gegen Fake-Bewertungen und erhöht die Verantwortung von Bewertungsplattformen, was zur Glaubwürdigkeit und Integrität dieser Plattformen beiträgt.
09.08.2022: BGH – Az. VI ZR 1244/20- Echtheit von Bewertungen
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am 9. August 2022, dass eine Rüge des Bewerteten, dass einer negativen Bewertung kein Gästekontakt zugrunde liege, ausreicht, um Prüfpflichten für ein Bewertungsportal wie das eines Reiseanbieters auszulösen. Der Bewertete muss keine detaillierte Begründung liefern, auch wenn Informationen vorliegen, die einen Gästekontakt nahelegen. Grund dafür ist, dass der Bewertete in der Regel nicht überprüfen kann, ob die angegebenen Details des Kontakts tatsächlich stimmen.
Im konkreten Fall klagte ein Ferienpark gegen ein Reiseportal, weil es negative Bewertungen veröffentlichte, die unter Vornamen oder Initialen verfasst und teilweise mit Fotos versehen waren. Der Ferienpark behauptete, dass keiner der Bewertenden jemals Gast gewesen sei und forderte die Löschung der Bewertungen. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht gab der Klägerin teilweise Recht. Der BGH entschied, dass die Betreiberin des Portals als Hostprovider mittelbare Störerin sei und daher Prüfpflichten habe, sobald sie über eine mögliche Rechtsverletzung informiert wird.
Der BGH stellte klar, dass die Prüfpflichten für den Hostprovider davon abhängen, wie konkret die Beanstandung formuliert ist. Wenn es aufgrund der Beschwerde klar erscheint, dass ein Rechtsverstoß vorliegt, muss der Hostprovider den Sachverhalt prüfen. Dies gilt auch, wenn die Bewertung auf einem Werturteil und nicht auf Tatsachenbehauptungen basiert, vorausgesetzt, dass die Tatsachen, auf denen die Bewertung beruht, falsch sind.
In diesem Fall entschied der BGH, dass der Gästekontakt nicht stattgefunden hatte, und die Bewertungen daher das Persönlichkeitsrecht des Unternehmens verletzen. Die Betreiberin des Bewertungsportals hätte die Bewertungen deshalb entfernen müssen, zumal die Klägerin keine weiteren Nachweise über das Fehlen des Gästekontakts erbringen musste. Eine genauere Begründung wäre nur erforderlich gewesen, wenn die Identität des Bewertenden offensichtlich aus der Bewertung hervorgegangen wäre. Die Missachtung der Prüfpflichten durch die Betreiberin des Portals führte zur Rechtswidrigkeit der Bewertungen, da sie das Ansehen des Ferienparks beeinträchtigen könnten.
22.05.2023: LG Frankenthal – Az. 6 O 18/23- Verfasser negativer Bewertungen muss Tatsachen beweisen
Das Landgericht Frankenthal entschied am 22. Mai 2023 (Az. 6 O 18/23), dass jeder, der negative Tatsachenbehauptungen über ein Unternehmen in einem Online-Bewertungsportal aufstellt, im Streitfall den Wahrheitsgehalt dieser Aussagen nachweisen muss. Gelingt dies nicht, hat das Unternehmen das Recht, die Löschung der Bewertung zu verlangen.
Im vorliegenden Fall bewertete ein Kunde ein Umzugsunternehmen aus Ludwigshafen negativ und behauptete, ein Möbelstück sei während des Transports beschädigt worden und das Unternehmen habe den Schaden nicht behoben. Der Unternehmer bestritt den Schaden und sah die Bewertung als rufschädigend an. Das Gericht gab dem Unternehmer Recht und entschied, dass die Behauptung des Kunden eine Tatsachenbehauptung darstellt, die belegt werden muss. Da der Kunde dies nicht konnte, wurde die Unterlassungsklage des Unternehmens stattgegeben.
24.01.2024: LG Mannheim – Az. 14 O 32/23- Unwahre Tatsachenbehauptungen in Google-Bewertungen unzulässig
Nach einem Urteil des Landgerichts Mannheim (Az. 14 O 32/23) vom 24. Januar 2024 sind unwahre Tatsachenbehauptungen in Google-Bewertungen zu unterlassen und müssen gelöscht werden, wenn sie das Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf ungestörte Berufsausübung des Bewerteten verletzen.
Das Urteil stellt klar, dass die Aussage „Hätte ich gesagt, ich bezahle privat, hätte ich sofort einen Termin bekommen“ in einer Bewertung für eine Arztpraxis als Tatsachenbehauptung zu werten ist. Der Rezensent trägt die Beweislast für den Wahrheitsgehalt dieser Äußerung.
Da der Beklagte den Wahrheitsgehalt dieser Tatsachenbehauptung nicht belegen konnte, wurde festgestellt, dass es sich um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelt. Gemäß dem Urteil des LG Mannheim ist der Beklagte verpflichtet, diese Äußerung zu unterlassen, andernfalls droht ihm ein Ordnungsgeld.
08.02.2024: OLG Hamburg – Az. 7 W 11/24- Nennung von Bewertern auf Bewertungsplattformen
Das Oberlandesgericht Hamburg entschied am 8. Februar 2024 (Az. 7 W 11/24), dass Kununu negative Bewertungen löschen muss, wenn die Bewertenden nicht ihre Klarnamen preisgeben. Dies wurde in einem Fall eines Start-ups mit 20 Mitarbeitern entschieden, das die Löschung negativer Einträge beantragte. Kununu verlangte von den Bewertenden anonymisierte Nachweise, die Echtheit der Bewertungen belegten, was jedoch nicht ausreichte, um die Identität der Bewertenden zu klären.
Das Gericht entschied, dass Kununu entweder die Klarnamen der Bewertenden offenlegen oder die Bewertungen löschen muss, wenn der Arbeitgeber hinreichend konkrete Beanstandungen vorlegt. Die Nutzung einer spezialisierten Kanzlei zur Löschung der Bewertungen wurde nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen. Datenschutz darf nicht verhindern, dass die Rechtmäßigkeit der Bewertungen überprüft werden kann. Dies könnte dazu führen, dass Arbeitnehmer vorsichtiger mit negativen Bewertungen umgehen.
2. Entscheidungen zu 1-Stern-Bewertungen
17.08.2017: LG Augsburg -Az. 22 O 560/17- ein-Stern-Bewertung ohne Begründung
Das Landgericht Augsburg entschied am 17.08.2017, dass eine ein-Stern-Bewertung einer Zahnklinik auf einem Online-Bewertungsportal auch ohne zusätzliche Begründung zulässig ist. Der Betreiber der Zahnklinik hatte geklagt und die Löschung dieser Bewertung gefordert, da der Nutzer nie Patient der Klinik gewesen sei. Das Gericht wies die Klage jedoch ab.
Ein Zahnarzt, der eine Praxisklinik betreibt, sah sich in seinen Rechten verletzt, nachdem ein Nutzer auf einem Bewertungsportal eine ein-Stern-Bewertung hinterlassen hatte, ohne diese weiter zu erläutern. Der Kläger argumentierte, dass die Bewertung unzulässig sei, da der Bewertende nie Patient bei ihm gewesen sei und daher keinen fundierten Grund für diese negative Bewertung habe. Er forderte die Löschung der Bewertung vom Portalbetreiber.
Das Gericht entschied, dass die Bewertung eine zulässige Meinungsäußerung darstellt und keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers vorliegt. Die rechtlichen Voraussetzungen nach den §§ 823, 1004 BGB in Verbindung mit den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes seien nicht erfüllt.
Das Gericht stellte klar, dass die ein-Stern-Bewertung ausdrückt, dass der Nutzer eine negative Meinung über die Klinik hat. Diese Meinung kann auf einem subjektiven Eindruck basieren, ohne dass der Nutzer diese näher begründen muss. Eine Begründung oder eine nähere Erläuterung ist nicht notwendig, um die Bewertung als zulässige Kritik einzustufen.
Das Gericht hob hervor, dass die Meinungsfreiheit auch das Recht umfasst, Kritik zu äußern, ohne diese ausführlich zu begründen. Solange keine Schmähkritik oder eine ungerechtfertigte Herabwürdigung vorliegt, ist eine solche Bewertung als freie Meinungsäußerung geschützt. Es wurde betont, dass eine Kritik nicht immer einer Rechtfertigung bedarf. Der Hintergrund der Bewertung, also ob der Nutzer tatsächlich Patient war oder nicht, ist dabei nicht entscheidend. Entscheidend ist allein, dass der Nutzer irgendwie mit der Klinik in Berührung kam und daraus seine Meinung ableiten konnte.
12.01.2018: LG Hamburg – Az. 324 O 63/17- Google-Bewertungen mit einem Stern aber ohne Kommentar
Das Landgericht Hamburg entschied am 12.01.2018 (Az. 324 O 63/17), dass Google eine unberechtigte Ein-Sterne-Bewertung ohne Text löschen muss, wenn die Bewertung nicht überprüft wurde. Ein Gastwirt hatte geklagt, weil eine Nutzerin sein Gasthaus ohne Kommentar negativ bewertet hatte. Google argumentierte, dass Bewertungen auch ohne tatsächlichen Besuch abgegeben werden könnten. Das Gericht stellte jedoch fest, dass solche Bewertungen die Unternehmerpersönlichkeitsrechte verletzen, wenn kein tatsächlicher Kontakt bestand. Google müsse die Echtheit der Bewertungen sicherstellen und den Sachverhalt klären. Fehle es an tatsächlichen Anknüpfungspunkten, müsse die Meinungsfreiheit hinter dem Persönlichkeitsrecht des Unternehmers zurücktreten.
Diese Entscheidung zeigt, dass Plattformbetreiber wie Google aktiv überprüfen müssen, ob eine tatsächliche Erfahrung zugrunde liegt. Eine einfache Behauptung ohne Beweis reicht nicht aus, um eine Bewertung zu rechtfertigen.
13.06.2018: LG Lübeck – Az. 9 O 59/17- Unzulässigkeit einer 1-Stern-Bewertung ohne Begründung
Das Landgericht Lübeck hat entschieden, dass eine negative Bewertung einer Arztpraxis mit nur einem Stern und ohne weitere Begründung gelöscht werden muss, wenn die Praxis nachweisen kann, dass kein Behandlungskontakt stattfand. In einem solchen Fall fehlt es an einem tatsächlichen Bezugspunkt, auf den sich eine Meinungsäußerung stützen könnte. Der Betreiber des Bewertungsportals, in diesem Fall Google, ist verpflichtet, die Löschung der Bewertung vorzunehmen.
Dies unterstreicht die Notwendigkeit, dass Unternehmen in der Lage sein müssen, klare Nachweise zu erbringen, um falsche Bewertungen zu widerlegen. Identitätsdiebstahl ist ein ernstzunehmender Faktor bei der Beurteilung der Legitimität von Bewertungen.
26.06.2019: OLG Köln – Az. 15 U 9/19- Tatsächliche Erfahrung erforderlich
Das Oberlandesgericht Köln betonte, dass nicht nur eine Kunden- oder Leistungsbeziehung, sondern eine „tatsächliche Erfahrung“ ausschlaggebend ist. Fehlt diese, sind 1-Stern-Bewertungen unzulässig. Das Unternehmen konnte einen Kundenkontakt zum Rezensenten bestreiten, was das Gericht als ausreichende Beanstandung anerkannte. Google hatte sich geweigert, die Bewertung zu prüfen, was das Gericht als Pflichtverletzung sah.
06.07.2020: OLG Karlsruhe – Az. 6 W 49/19 – Voraussetzungen der Haftung eines Host-Providers
Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied am 6. Juli 2020 (Az. 6 W 49/19), dass Google eine unbegründete 1-Sterne-Bewertung eines Arztes löschen muss. Der Arzt behauptete, es handle sich um eine Fake-Bewertung ohne Behandlungskontakt. Google konnte keinen Beweis für einen Behandlungskontakt erbringen und löschte die Bewertung erst nach Klageeinreichung.
Google weigerte sich, die Verfahrenskosten zu übernehmen, argumentierte, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte und die Bewertung durch Meinungsfreiheit geschützt sei. Das Oberlandesgericht entschied jedoch zugunsten des Arztes und betonte, dass anonyme Bewertungen ohne spezifische Gründe sich in der Regel auf die Hauptdienstleistung beziehen.
Das Urteil stellt klar, dass Plattformen wie Google Bewertungen prüfen und gegebenenfalls löschen müssen, wenn keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte vorliegen. Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Unternehmern gegen unbegründete negative Bewertungen.
31.08.2022: OLG Stuttgart -Az. 4 U 17/22- ein-Sterne-Bewertung des Prozessgegners
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass eine ein-Sterne-Bewertung mit Kommentaren wie „nicht empfehlenswert“ und „kritisch: Professionalität“ durch die gegnerische Partei eines Anwaltsprozesses ein Werturteil darstellt. Diese Bewertung, die auf einer Internetplattform abgegeben wurde, enthält nach dem objektiven Sinngehalt einen Tatsachenkern und setzt voraus, dass sie auf Erfahrungen aus einem geschäftlichen Kontakt basiert.
Im vorliegenden Fall klagte ein Rechtsanwalt, dessen Kanzlei bei Google gelistet ist, gegen die Bewertung, die von der gegnerischen Partei eines von ihm vertretenen Prozesses abgegeben wurde. Der Anwalt sah die Bewertung als einen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht und seine berufliche Ehre an, da keine Geschäftsbeziehung zwischen ihm und dem Bewertenden bestand. Das Landgericht gab der Klage statt, woraufhin der Beklagte Berufung einlegte und seine Meinungsfreiheit betonte.
Das Gericht stellte fest, dass der Anwalt einen Anspruch auf Löschung der Bewertung habe, da sie seine Rechte verletze. Die Bewertung wurde zwar als Meinungsäußerung eingestuft, aber da sie einen Tatsachenkern beinhaltet und von einem geschäftlichen Kontakt ausgeht, der in diesem Fall nicht bestand, sei sie rechtswidrig. Ein solcher Kontakt müsse entweder leistungs- oder mandatsbezogen sein, was hier nicht der Fall war. Zudem führte das Gericht aus, dass Bewertungen, die auf einem gelegentlichen Kontakt wie dem zwischen einem Anwalt und der gegnerischen Partei beruhen, keine belastbare Aussagekraft für die Bewertung der Kanzlei haben. Daher tragen solche Bewertungen nicht zur gewünschten Markttransparenz bei und sind somit nicht rechtmäßig.
3. Bewertungen und das Wettbewerbsrecht
Negative Google-Bewertungen von Mitbewerbern stellen oft eine Herausforderung dar, da sie nicht nur das Unternehmensimage schädigen können, sondern auch rechtliche Konsequenzen haben. Verschiedene Gerichtsurteile beleuchten die Grenzen und Konsequenzen solcher Bewertungen.
20.08.2020: OLG Frankfurt – Az. 6 U 270/19- über Gewinnspiele generierten Bewertungen
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschied am 20. August 2020 (Az. 6 U 270/19), dass die Teilnahme an einem Gewinnspiel, die eine Bewertung auf einer Social-Media-Plattform als Bedingung voraussetzt, einen Wettbewerbsverstoß darstellt. Dies sei darauf zurückzuführen, dass durch die Gewinnspielauslobung viele Bewertungen generiert werden, die nicht objektiv sind und somit andere Nutzer täuschen können.
Beide Parteien verkaufen Whirlpools. Die Beklagte organisierte ein Gewinnspiel auf ihrer Facebook-Seite, bei dem ein Luxus-Whirlpool verlost wurde. Teilnehmer konnten ihre Gewinnchancen erhöhen, indem sie den Beitrag likten, kommentierten, teilten oder die Seite bewerteten. Die Klägerin, eine Mitbewerberin, sah darin einen Wettbewerbsverstoß.
Das Gericht argumentierte, dass Bewertungen von Gewinnspielteilnehmern tendenziell positiver ausfallen, da diese auf den Gewinn hoffen und somit die notwendige Objektivität fehlt. Auch wenn keine positive Bewertung explizit gefordert war, würden solche Bewertungen in der Regel positiver ausfallen. Dies könne den Eindruck einer höheren Bekanntheit und Beliebtheit der Beklagten erzeugen, der unter normalen Umständen nicht entstanden wäre.
Das Gericht stellte fest, dass Nutzer von objektiven Bewertungen ausgehen und nicht erkennen können, dass diese durch ein Gewinnspiel beeinflusst wurden. Auch sei nicht erwiesen, dass Nutzer an solche Gewinnspiele und die damit verbundene Verzerrung von Bewertungen gewöhnt seien. Die Beklagte konnte nicht widerlegen, dass die Teilnehmer ihre Chancen durch zusätzliche Bewertungen erhöhen wollten, was durch den Anscheinsbeweis belegt wurde.
Die Entscheidung zeigt, dass bereits die Auslobung eines Gewinns zur Verzerrung von Bewertungen führen kann, selbst ohne direkte Bezahlung für die Bewertungen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Bewertungen unabhängig und objektiv sind, um sie rechtmäßig für Werbung nutzen zu können. Das Urteil gibt jedoch keine klaren Hinweise darauf, wie Unternehmen diese Irreführung vermeiden können, etwa durch transparente Hinweise auf Social-Media-Plattformen. Es bleibt abzuwarten, ob zukünftige Gerichtsentscheidungen diesbezüglich Klarheit schaffen werden.
12.09.2023: OLG Hamburg – Az. 7 U 18/22- Unzulässigkeit negativer Google-Bewertungen durch Mitbewerber
Das Oberlandesgericht Hamburg entschied, dass Gewerbetreibende keine negativen Google-Bewertungen auf den Profilen ihrer Mitbewerber hinterlassen dürfen, wenn für potenzielle Kunden nicht klar ersichtlich ist, dass kein Kundenkontakt bestand. Solche Bewertungen sind wettbewerbswidrig und begründen einen Unterlassungsanspruch des Mitbewerbers.
Der Kläger, Inhaber eines deutschlandweit tätigen Druckereiunternehmens, bietet diverse Druckdienstleistungen, einschließlich der individuellen Bedruckung von Textilien, über das Internet an. Sein Unternehmen verfügt über ein Google-Profil, auf dem Bewertungen abgegeben werden können. Der Beklagte, ebenfalls Anbieter von Online-Druckdienstleistungen, hatte eine negative Bewertung auf dem Profil des Klägers hinterlassen.
Nachdem der Beklagte in einem vorangegangenen Abmahnverfahren eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, entfernte er den Bewertungstext, ließ jedoch den einzelnen vergebenen Stern bestehen. Der Kläger forderte daraufhin die Zahlung einer Vertragsstrafe, der der Beklagte nicht nachkam.
Das OLG Hamburg stellte fest, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 i.V.m. §§ 4 Abs. 1 Nr. 1, 3 UWG zusteht, der dem vom Landgericht geprüften Anspruch aus §§ 1004, 823 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG vorrangig ist, soweit sich der Anspruch auf die Abwehr rechtsverletzender geschäftlicher Handlungen richtet und aus einem Wettbewerbsverhältnis abgeleitet wird.
Das OLG Hamburg stellte das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses und einer geschäftlichen Handlung unproblematisch fest. Die Tatsache, dass der Beklagte die Bewertung von einem privaten Google-Account abgab, steht einer Einordnung als geschäftliche Handlung nicht entgegen. Die negative Bewertung beeinflusst Verbraucherentscheidungen potenzieller Kunden nachteilig für den Kläger und verschlechtert die Gesamtbewertung seines Unternehmens auf Google Maps.
Aufgrund des Wettbewerbsverhältnisses muss der Beklagte seine Meinungsäußerungsfreiheit an den Maßstäben des Lauterkeitsrechts messen lassen, die strengere Anforderungen stellen als für außenstehende Dritte. Der Senat schloss sich der Rechtsprechung des OLG Köln an, welche auf die BGH-Rechtsprechung zu abwertenden Äußerungen unter Mitbewerbern verweist.
Unternehmerische Schmähkritik und Formalbeleidigungen sind stets ungerechtfertigt. Außerhalb dieser Fallgruppen ist die sachliche Rechtfertigung einer Wertschätzungsverringerung im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den Interessen des Äußernden aus Art. 5 GG und den Interessen des Mitbewerbers, insbesondere aus Art. 12 GG, zu bestimmen.
Die kommentarlose 1-Sterne-Bewertung stellt somit eine pauschale Herabsetzung des klägerischen Unternehmens dar und ist als unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG zu werten. Der Abmahnvorgang zwischen den Parteien als Grundlage der Bewertung erfordert eine Offenlegung der Bewertungsgrundlage, um die Schlüssigkeit der Bewertung für Außenstehende nachvollziehbar zu machen.
12.12.2023: OLG Düsseldorf – Az. I-20 U 91/23- Fake-Bewertungen sind wettbewerbswidrig
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat entschieden, dass auch Anwälte keine gefälschten Bewertungen veröffentlichen dürfen, da dies wettbewerbswidrig ist (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.12.2023, Az. I-20 U 91/23).
In diesem Fall hatte ein Anwalt den Antragsgegner, ebenfalls ein Anwalt, abgemahnt. Der Kläger behauptete, dass die auf der Facebook-Seite der Kanzlei des Antragsgegners veröffentlichten Bewertungen offensichtlich gefälscht und wahrscheinlich gekauft seien.
Der Kläger stützte seinen Antrag auf §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nr. 23c des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG und beanspruchte einen Unterlassungsanspruch. Nachdem der Beklagte trotz Abmahnung keine Unterlassungserklärung abgab, reichte der Kläger Klage beim Landgericht Düsseldorf ein. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte das Urteil nach Berufung.
Das OLG stellte fest, dass zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG besteht. Obwohl der Kläger sich auf andere Rechtsgebiete spezialisiert hatte als der Beklagte, sei dies unbeachtlich, da der Beklagte sich als „kompetenter Partner in allen Rechtsfragen“ bezeichnete.
Das Gericht erklärte, dass das Zugänglichmachen von Bewertungen Dritter auf der Facebook-Seite der Kanzlei des Beklagten eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG darstellt. Es handele sich hierbei um eine klassische Werbemaßnahme.
Der Tatbestand der Unlauterkeit gemäß §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3, 3 Abs. 1 und Abs. 3 UWG in Verbindung mit Nr. 23c des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG sei erfüllt. Die Übermittlung oder Beauftragung gefälschter Bewertungen sowie die falsche Darstellung von Bewertungen in sozialen Medien zu Verkaufsförderungszwecken sei stets unlauter. Der Beklagte habe mit den gefälschten Bewertungen geworben und diese den Verbrauchern zugänglich gemacht, was als Übermittlung im Sinne von Nr. 23c des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG gelte.
Der Kläger legte zahlreiche Anhaltspunkte vor, die darauf hinwiesen, dass es sich um Fake-Bewertungen ohne Kundenkontakt handelte. Das Gericht betonte, dass der Beklagte hätte konkret darlegen müssen, dass die Bewertungen authentisch waren. Eine pauschale Berufung auf seine Verschwiegenheitspflichten nach § 2 BORA änderte daran nichts. Da sich die Bewertenden mit einem bürgerlichen Namen bzw. einem mit der Kanzlei in Kontakt stehenden Namen bezeichneten, war eine Darlegung erforderlich. Der Beklagte hatte sich die Bewertungen durch Likes und Kommentare zudem zu eigen gemacht.
Das Gericht akzeptierte den Einwand des Beklagten nicht, dass die Bewertungen möglicherweise unter Pseudonymen abgegeben wurden und dass er mehrere Berufsträger habe, was es unmöglich mache, die Herkunft der Bewertungen nachzuvollziehen.
16.04.2024: OLG Hamm – Az. 4 U 151/22- Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch negative Bewertungen
Das Oberlandesgericht Hamm entschied am 16. April 2024 (Az. 4 U 151/22), dass das systematische Bestellen und Zurücksenden von Produkten sowie die Veröffentlichung negativer Bewertungen zum Zweck der Schädigung eines Mitbewerbers eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB darstellt. Dieses Urteil beleuchtet die Grenzen des Wettbewerbsrechts und die Anwendung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit unlauteren Geschäftspraktiken.
Die Klägerin und die Beklagte sind Wettbewerber im Online-Matratzenhandel. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Beklagten, I. und Y., bestellten mehrfach Matratzen bei der Klägerin über verschiedene Handelsplattformen, stellten Rücksendeanträge und veröffentlichten negative Bewertungen, die offensichtlich unbegründet und schädigend formuliert waren.
Beispiele der Bestellungen und Bewertungen umfassen:
- Rücksendeantrag mit dem Grund „Versandverpackung und Artikel beschädigt“.
- Negative Bewertung mit dem Kommentar „Starker Chemiegeruch der Matratze“.
- Rücksendeantrag mit dem Grund „Artikel entspricht nicht den Erwartungen. Kunde hat einen Ausschlag von dem Artikel erhalten“.
Das Gericht stellte fest, dass das Verhalten der Beklagten eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung darstellt. Die Handlungen der ehemaligen Mitarbeiter zielten darauf ab, die Klägerin systematisch zu schädigen, indem sie deren Ansehen bei Kunden und Plattformbetreibern durch negative Bewertungen und sinnlose Retouren herabsetzten. Dieses Verhalten ging über normale Wettbewerbshandlungen hinaus und diente allein der Schädigung der Klägerin.
Die Handlungen der Beklagten wurden auch als unlautere geschäftliche Handlungen gemäß UWG bewertet. Das Gericht stellte klar, dass in Fällen, in denen ein Verhalten sowohl sittenwidrig als auch unlauter ist, die Verjährungsfristen des BGB (drei Jahre) und nicht die kürzeren Verjährungsfristen des UWG gelten.
Das Gericht betonte, dass die Beklagte für das Verhalten ihrer ehemaligen Mitarbeiter haftet, da sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Die Beklagte konnte nicht substantiiert darlegen, dass sie keine Kenntnis von den Handlungen ihrer Mitarbeiter hatte oder Maßnahmen ergriffen hatte, um solche Handlungen zu verhindern.
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass unlautere Geschäftspraktiken, die auf die systematische Schädigung eines Mitbewerbers abzielen, nicht nur wettbewerbsrechtliche, sondern auch deliktsrechtliche Konsequenzen haben können. Unternehmen sollten sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter keine Handlungen vornehmen, die als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung ausgelegt werden könnten, da sie sonst erheblichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen ausgesetzt sein können.
23.12.2022: OLG Köln – Az. 6 U 83/22- Kommentarlose Ein-Stern-Google-Bewertung unzulässig bei nur losem beruflichen Kontakt
Die Rechtsprechung zu negativen Online-Bewertungen hat mit einem neuen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln (Teilurteil vom 23.12.2022, Az. 6 U 83/22) eine weitere Differenzierung erfahren. In diesem Fall wehrte sich ein IT-Systemhaus erfolgreich gegen eine kommentarlose Ein-Stern-Bewertung, die ein Mitarbeiter eines konkurrierenden IT-Unternehmens abgegeben hatte.
Das betroffene Unternehmen, Betreiberin eines IT-Systemhauses, ging nicht gegen Google, sondern direkt gegen den Verfasser der Bewertung vor. Der Verfasser war Mitarbeiter eines konkurrierenden IT-Unternehmens. Vorausgegangen war eine vom Arbeitgeber des Beklagten organisierte Veranstaltung zum Thema Internetsicherheit, zu der die Klägerin per E-Mail eingeladen worden war. Nach Teilnahme eines ihrer Mitarbeiter forderte der Geschäftsführer der Klägerin eine DSGVO-Auskunft über die gespeicherten Daten. Dieser nachfolgende Kommunikationsverkehr veranlasste den Beklagten zu der Ein-Stern-Bewertung. Zwischen den Unternehmen bestand jedoch keine konkrete Geschäftsbeziehung.
Das OLG Köln prüfte, ob die Bewertung ein herabsetzendes Werturteil im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG darstellt. Obwohl der Beklagte seinen privaten Account nutzte, klassifizierte das Gericht die Bewertung als geschäftliche Handlung. Diese rechtliche Einordnung sei unabhängig vom wettbewerbsrechtlichen Konkurrenzverhältnis vorzunehmen.
Grundsätzlich sind auch kommentarlos abgegebene Ein-Stern-Bewertungen durch die Meinungsfreiheit geschützt. Der Schutz endet jedoch, wo unwahre Tatsachen behauptet oder die Grenze zur Schmähkritik überschritten wird. In solchen Fällen haben Unternehmen das Recht auf Unterlassung rufschädigender Bewertungen.
Kommentarlose Sterne-Bewertungen haben in der Regel einen Aussagegehalt, der als persönliche Bewertung einer in Anspruch genommenen Leistung verstanden wird. Liegt jedoch keine Leistungsbeziehung vor, ist der Tatsachenkern der Bewertung unwahr und somit unzulässig.
Das OLG Köln entschied, dass der lose berufliche Kontakt zwischen Klägerin und Beklagtem keine ausreichende Bewertungsgrundlage bot. Das erstinstanzliche LG Köln hatte dies bejaht, ohne konkrete Geschäftsbeziehungen als notwendig anzusehen. Das Berufungsgericht widersprach: Die Bewertung, die auf Kommunikationsverkehr ohne konkrete Rechtsbeziehungen basierte, liege außerhalb des Erwartbaren. Der fehlende sachliche Bezugspunkt mache die Bewertung zu sachfremder Schmähkritik. Daher wurde die Bewertung als unzulässig eingestuft und zur Löschung verurteilt.
Dieses Urteil stärkt die Position von Unternehmen im Umgang mit kommentarlosen Negativbewertungen. Kontextlose Ein-Stern-Bewertungen, die sich nicht auf einen konkreten geschäftlichen Kontakt beziehen, müssen nicht hingenommen werden, selbst wenn ein loser beruflicher Kontakt bestand, der jedoch nicht zu konkreten Kunden- oder Rechtsbeziehungen führte.
Pflichten und Haftung eines Plattformbetreibers
25.10.2011: BGH – Az. VI ZR 93/10- Verantwortlichkeit eines Hostproviders
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied am 25.10.2011 in einem Fall zur Verantwortlichkeit von Hostprovidern für rechtswidrige Blogeinträge. Hierbei ging es um Google als Betreiber der Dienste blogger.com und blogspot.com. Der Kläger, im Immobiliengeschäft tätig, forderte die Entfernung von Einträgen eines Nutzers, der in seinem Blog diffamierende Aussagen über den Kläger veröffentlicht hatte. Diese Einträge richteten sich an Personen in Mallorca und Deutschland und waren in deutscher Sprache verfasst. Der Kläger verlangte die Unterlassung der Verbreitung dieser Einträge.
Der BGH befand zunächst, dass deutsche Gerichte international zuständig sind. Der Blogeintrag hatte einen deutlichen Bezug zu Deutschland, da er sich an Personen in Deutschland und auf Mallorca richtete und der Kläger in Deutschland mit vollem Namen und Wohnort genannt wurde.
Der BGH entschied weiter, dass Google nur als Störerin haftbar gemacht werden könne, da Google den Eintrag weder verfasst noch sich dessen Inhalt zu eigen gemacht hatte, jedoch die technische Plattform für die Verbreitung bereitstellte. Die Haftung von Google setzte voraus, dass sie zumutbare Prüfpflichten verletzt hatte. Ein Hostprovider sei nicht verpflichtet, alle Beiträge vor der Veröffentlichung zu überprüfen, jedoch müsse er bei Kenntnis von einer Rechtsverletzung tätig werden.
Ein Hostprovider müsse bei konkreten Hinweisen auf eine Rechtsverletzung prüfen, ob die behauptete Verletzung unschwer ohne eingehende Prüfung bejaht werden könne. Das Ausmaß des Prüfungsaufwandes hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Der Provider solle die Beanstandung zunächst an den Blogger zur Stellungnahme weiterleiten. Bleibe die Stellungnahme aus, sei der Eintrag zu löschen. Widerspreche der Blogger substantiiert und ergeben sich berechtigte Zweifel, müsse der Provider dem Betroffenen dies mitteilen und weitere Nachweise verlangen.
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger Google auf die Rechtsverletzung hingewiesen. Google bot an, die Abmahnung des Klägers an den Blogger weiterzuleiten, was der Kläger jedoch zunächst ablehnte. Nach der Klageerhebung gab der Kläger die Erlaubnis zur Weiterleitung, aber die Blogseiten blieben weiterhin abrufbar. Der BGH entschied, dass ein Unterlassungsanspruch des Klägers derzeit nicht bejaht werden könne, da die Parteien möglicherweise weiter hätten vortragen können, wenn Google ihren Prüfpflichten nachgekommen wäre. Das Berufungsgericht müsse nun weiteres rechtliches Gehör gewähren und die Sache weiter prüfen.
Zusammengefasst stellt das Urteil klar, dass Hostprovider unter bestimmten Umständen für rechtswidrige Inhalte auf ihren Plattformen verantwortlich gemacht werden können, wenn sie ihren Prüfpflichten nicht nachkommen. Diese Prüfpflichten beinhalten eine Weiterleitung der Beanstandung an den Blogger und gegebenenfalls die Forderung nach weiteren Nachweisen bei substantiiertem Widerspruch.
19.03.2015: BGH -Az. I ZR 94/13 – Hotelbewertungsportal haftet nicht ohne Weiteres
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der Betreiber eines Hotelbewertungsportals nicht automatisch für unwahre Tatsachenbehauptungen eines Nutzers haftet, zumindest nicht, wenn er erstmals keine Kenntnis von der Bewertung hatte.
In dem betreffenden Fall verlangte die Klägerin, Inhaberin eines Hotels, von der Beklagten, die ein Online-Reisebüro und ein Hotelbewertungsportal betreibt, die Unterlassung einer unwahren und geschäftsschädigenden Tatsachenbehauptung. Die beanstandete Bewertung lautete: „Für 37,50 € pro Nacht und Kopf im DZ gab’s Bettwanzen“.
Auf dem Portal der Beklagten können Nutzer Hotels auf einer Skala von eins (sehr schlecht) bis sechs (sehr gut) bewerten. Diese Bewertungen fließen in Durchschnittswerte und eine Weiterempfehlungsrate ein. Vor Veröffentlichung durchlaufen die Bewertungen eine Wortfiltersoftware, die Beleidigungen, Schmähkritik und Eigenbewertungen erkennen soll. Unauffällige Bewertungen werden automatisch veröffentlicht, gefilterte Bewertungen werden manuell geprüft.
Die Klägerin forderte die Beklagte auf, die beanstandete Bewertung zu entfernen und eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung abzugeben. Die Beklagte entfernte die Bewertung, gab jedoch die geforderte Erklärung nicht ab. Die Klage der Klägerin blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Der BGH wies die Revision gegen das Berufungsurteil zurück.
Der BGH stellte fest, dass die beanstandete Bewertung keine eigene „Behauptung“ der Beklagten darstellt, da sie sich diese weder durch die Prüfung noch durch die statistische Auswertung der Bewertungen zu Eigen gemacht hat. Zudem habe die Beklagte die Behauptung nicht „verbreitet“.
Die Haftung eines Diensteanbieters, der eine neutrale Rolle einnimmt, ist nach § 7 Abs. 2 und § 10 TMG eingeschränkt. Eine Haftung besteht nur, wenn spezifische Prüfungspflichten verletzt wurden, deren Intensität sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Dabei sind die Zumutbarkeit der Prüfungspflichten und die Erkennbarkeit der Rechtsverletzung zu berücksichtigen. Dem Diensteanbieter dürfen keine Prüfungspflichten auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährden oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte keine spezifische Prüfungspflicht verletzt. Eine inhaltliche Vorabprüfung der Nutzerbewertungen ist ihr nicht zumutbar. Eine Haftung auf Unterlassung besteht erst, wenn der Betreiber eines Internetportals Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt und diese nicht beseitigt. Dieser Pflicht ist die Beklagte nachgekommen und hat somit keine wettbewerblichen Verkehrspflichten im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG verletzt. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte ein hochgradig gefährliches Geschäftsmodell betreibt, welches besondere Prüfungspflichten auslösen würde.
Die Entscheidung des BGH stärkt die Position von Betreibern von Bewertungsportalen, indem klargestellt wird, dass eine Haftung für unwahre Tatsachenbehauptungen von Nutzern nur unter bestimmten Voraussetzungen besteht. Insbesondere ist eine Haftung erst bei Kenntnis von der Rechtsverletzung und deren Nichtbeseitigung gegeben.
24.03.2017: LG Hamburg – Az. 324 O 148/16- Kurze Fristen für Löschung durch Plattformbetreiber
Eine Anwaltskanzlei klagte gegen Google wegen einer negativen Bewertung, die ihrer Meinung nach frei erfunden war. Der Bewertende beschrieb die Kanzlei als „Inkompetent und unseriös“ und „scheinbar nur auf Profit aus“. Die Kanzlei forderte Google zunächst schriftlich und dann über ein Online-Formular auf, die Bewertung zu entfernen. Google bestätigte den Eingang der Anfrage per E-Mail und teilte mit, dass die Bearbeitung wegen vieler eingehender Beanstandungen Zeit in Anspruch nehmen werde. Nach mehreren Tagen teilte Google mit, dass die Beanstandung an den Verfasser der Bewertung weitergeleitet werde, sofern die Kanzlei nicht innerhalb von sieben Tagen widerspreche. Da Google nicht zeitnah handelte, beantragte die Kanzlei eine einstweilige Verfügung, die auch erlassen wurde. Google legte dagegen Widerspruch ein.
Das Gericht entschied, dass Google als Hostprovider für die Verbreitung der Bewertung haftet und das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Kanzlei verletzt. Obwohl Google die Bewertung weder verfasst noch sich zu Eigen gemacht hat, haftet das Unternehmen als Störerin, da es die technischen Möglichkeiten für die Veröffentlichung bereitstellt. Die Verantwortlichkeit beginnt, sobald der Provider Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt.
Ein Hostprovider muss Nutzerbeiträge nicht vor der Veröffentlichung auf Rechtsverletzungen überprüfen, ist jedoch verpflichtet, bei Kenntnis von einer Rechtsverletzung zu handeln. Das Prüfungsverfahren muss zeitnah erfolgen. Im vorliegenden Fall dauerte die Prüfung sechs Tage, was das Gericht als zu lang betrachtete. Angemessen wären vier Tage gewesen, um die Stellungnahme des bewertenden Nutzers einzuholen und den Sachverhalt zu klären.
Das Gericht betonte, dass bei einer konkret gefassten Beanstandung eine umfassende Ermittlung und Bewertung des Sachverhaltes erforderlich ist. Dies umfasst auch die Stellungnahme des bewertenden Nutzers. Google hätte nach der Mitteilung per Online-Formular umgehend reagieren und die notwendigen Schritte einleiten müssen, um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern.
Das Urteil verdeutlicht die Verantwortung von Hostprovidern wie Google, bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen schnell zu handeln. Verzögerungen im Prüfungsprozess können zur Haftung führen, wenn dadurch die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzt werden.
07.02.2018: LG Saarbrücken – Az. 4 O 32/18- Prüfumfang von Google
Das Landgericht Saarbrücken entschied am 07.02.2018, dass Google seine Prüfpflichten verletzt habe, indem es eine berechtigte Beanstandung nicht ordnungsgemäß überprüfte. Im vorliegenden Fall hatte ein Zahnarzt gegen die Veröffentlichung zweier Bewertungen auf Google Maps geklagt. Eine der Bewertungen bestand aus einer ein-Stern-Bewertung mit dem Kommentar, dass der Zahnarzt unsensibel mit einem Luftdruckgerät am Zahn gearbeitet habe, was den Patienten in Angst versetzte. Die zweite Bewertung war eine einfache zwei-Sterne-Bewertung ohne Kommentar. Der Zahnarzt behauptete, dass den Bewertungen kein tatsächlicher Patientenkontakt zugrunde lag, und verlangte, dass Google die Bewertungen entfernt.
Google ist als Hostprovider nicht verpflichtet, alle Beiträge vor der Veröffentlichung auf mögliche Rechtsverletzungen zu prüfen. Wenn jedoch ein Betroffener, wie in diesem Fall der Zahnarzt, auf eine mögliche Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hinweist, muss Google tätig werden. Dies bedeutet, dass Google die Beschwerde ernsthaft prüfen und den Sachverhalt klären muss. Die Beanstandung des Zahnarztes war in diesem Fall ausreichend konkret, obwohl er nicht beweisen konnte, dass kein Patientenkontakt stattgefunden hatte. Die fehlenden Behandlungsdetails in der Bewertung und die Behauptung des Zahnarztes, dass die Bewertungen ungerechtfertigt seien, reichten aus, um die Prüfungspflicht von Google auszulösen.
Das Gericht stellte fest, dass die beanstandeten Bewertungen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Zahnarztes eingriffen. Besonders die ein-Stern-Bewertung mit Kommentar war geeignet, das öffentliche Ansehen des Zahnarztes negativ zu beeinflussen. Die Bewertung suggerierte, dass der Zahnarzt in zentralen Bereichen seiner Arbeit versagt habe und den Patienten sogar verbal angegriffen habe. Auch die zwei-Sterne-Bewertung ohne Kommentar konnte das Ansehen des Zahnarztes schädigen, indem sie implizierte, dass seine Leistung nicht einmal durchschnittlichen Anforderungen entsprach.
Das Gericht berücksichtigte, dass es sich bei der ein-Stern-Bewertung um eine Meinungsäußerung handelte. Diese bezog sich jedoch auf einen angeblichen Behandlungskontakt, der nicht stattgefunden hatte. Dadurch vermischten sich wertende und tatsächliche Elemente in der Bewertung. Da die behaupteten Tatsachen – hier der Behandlungskontakt – unwahr waren, überwog das Persönlichkeitsrecht des Zahnarztes gegenüber der Meinungsfreiheit. Weder der Bewertende noch Google hatten ein berechtigtes Interesse daran, eine Bewertung zu veröffentlichen, die auf einem nicht stattgefundenen Ereignis basierte.
Google kam seiner Prüfpflicht nicht nach, da es den Sachverhalt nach Eingang der Beanstandung nicht ausreichend überprüfte. Obwohl Google den Eingang der Beschwerde bestätigte, wurde erst acht Tage später ein Prüfverfahren eingeleitet, ohne dass genauere Informationen über den Ablauf dieses Verfahrens gegeben wurden. Insbesondere die Ablehnung einer Prüfung der zwei-Sterne-Bewertung durch Google war unzureichend, da auch diese Bewertung möglicherweise das Persönlichkeitsrecht des Zahnarztes verletzte. Das Gericht betonte, dass selbst eine einfache Sternebewertung ohne Kommentar eine Rechtsverletzung darstellen kann, wenn sie auf einem falschen Tatsachengrundlage basiert.
09.05.2018: LG Mainz – Az. 1 O 86/17- Zu den Prüfpflichten des Hostproviders
Am 09.05.2018 entschied das Landgericht Mainz, dass Google gegen seine Prüfpflichten verstoßen habe und als mittelbare Störerin hafte. Der Kläger, ein Winzer, hatte gegen Google geklagt, weil unter seinem Unternehmenseintrag auf Google Maps zwei negative Bewertungen veröffentlicht worden waren. Die Hinweise des Klägers auf die Rechtsverletzung seien so konkret gewesen, dass diese Behauptungen unschwer auch ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung hätten bejaht werden können.
Der Kläger, ein Winzer, klagte gegen Google wegen zweier schlechter Bewertungen auf Google Maps, die jeweils nur einen Stern enthielten. Eine Bewertung lautete: „Aus meiner Sicht/Empfehlung kann ich nur dringend abraten!!!“, die andere: „kein Stern Wert, leider technisch nicht möglich ohne Stern zu bewerten!“. Der Winzer argumentierte, dass es zu beiden Nutzern keinen Kundenkontakt gab und forderte Google auf, die Bewertungen zu entfernen. Google lehnte dies ab.
Das Landgericht Mainz erklärte sich für örtlich zuständig, da die rechtsverletzenden Inhalte auf der deutschen Google Maps-Seite verbreitet wurden und in deutscher Sprache verfasst waren, sich also an ein deutsches Publikum richteten.
Google könne als mittelbare Störerin haftbar gemacht werden, da sie willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beitrage. Zwar dürfe die Haftung nicht über Gebühr auf den Hostprovider erstreckt werden, doch setze die Haftung eine Verletzung von Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten, voraus. Ein Hostprovider ist verantwortlich, sobald er Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt. Wenn ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hinweist, muss der Provider künftig solche Störungen verhindern.
Das Gericht befand, dass ein Hostprovider nur dann tätig werden müsse, wenn der Hinweis auf die Rechtsverletzung ausreichend konkret sei. Der behauptete Rechtsverstoß müsse unschwer ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung bejaht werden können. In solchen Fällen müsse die beanstandete Bewertung an den Nutzer weitergeleitet werden, der dann eine Stellungnahme abgeben könne. Bleibe diese aus, sei von einer berechtigten Beanstandung auszugehen und die Bewertung zu löschen. Werde die Beanstandung substantiiert in Abrede gestellt, sei der Provider verpflichtet, den Betroffenen zu informieren und ggf. Nachweise zu verlangen.
Der Winzer hatte behauptet, dass den Bewertungen kein Kundenkontakt zugrunde lag. Diese Behauptung sei hinreichend konkret gewesen. Obwohl der Kläger keine weiteren Beweise vorlegen konnte, reichten die Angaben aus, da die Bewertungen keine tatsächlichen Angaben enthielten und die Bewerter dem Winzer nicht bekannt waren.
Das Gericht stellte fest, dass die Bewertungen ohne Kundenkontakt das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Winzers verletzten. Diese Bewertungen könnten sich negativ auf das Ansehen des Winzers und seines Weinguts auswirken, indem sie potenzielle Kunden abschrecken.
Das Gericht betonte die Notwendigkeit, zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungs- und Medienfreiheit der Beklagten abzuwägen. Fehle es an einem Kundenkontakt, überwiege das schützenswerte Interesse des Klägers. Negative Bewertungen ohne tatsächlichen Bezugspunkt seien nicht zulässig.
Durch die konkreten Hinweise des Klägers seien Prüfpflichten bei Google ausgelöst worden. Google hätte die Verfasser der Bewertungen zur Stellungnahme auffordern müssen. Da Google mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und die Möglichkeit zur Veröffentlichung von Bewertungen bietet, trägt das Unternehmen dazu bei, dass sich auch verletzende Äußerungen schnell und weit verbreiten. Eine Vorabprüfung könne zwar nicht verlangt werden, doch eine Plausibilitätsprüfung nach Kenntniserlangung einer möglichen Rechtsverletzung sei zumutbar.
Das Urteil zeigt, dass Hostprovider wie Google ihre Prüfpflichten ernst nehmen und bei konkreten Hinweisen auf Rechtsverletzungen zeitnah handeln müssen. Verzögerungen oder unzureichende Prüfungen können zur Haftung führen, insbesondere wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden.
18.08.2020: LG Köln – Az. 28 O 279/20- Bewertungen sind zügig zu löschen
Das Landgericht Köln hat entschieden, dass Google verpflichtet ist, ungerechtfertigte negative Bewertungen zügig zu löschen, selbst in einer Pandemie. Der Fall betraf ein Pharmaunternehmen, das eine anonyme Ein-Stern-Bewertung ohne Begleittext auf Google erhielt und daraufhin die Löschung forderte. Google reagierte zunächst mit einer Verzögerungsankündigung aufgrund der COVID-19-Situation und ließ fast zwei Wochen verstreichen, bevor das Unternehmen eine erneute Aufforderung zur Löschung und eine Unterlassungserklärung verlangte.
Das Landgericht Köln urteilte, dass Google schneller hätte reagieren müssen, und der Hinweis auf die Pandemie sei keine ausreichende Rechtfertigung für die Verzögerung. Das Gericht stellte fest, dass negative Bewertungen ohne Belege oder realen Hintergrund gelöscht werden müssen, wenn sie nachweislich willkürlich sind. Google hätte beweisen müssen, dass die Bewertung auf einer echten Erfahrung basierte, was in diesem Fall nicht geschehen ist. Daher überwogen die Interessen des Unternehmens am Schutz seiner sozialen Anerkennung.
Das Urteil zeigt, dass Verzögerungen bei der Löschung ungerechtfertigter Bewertungen erhebliche geschäftliche Schäden verursachen können. Es unterstreicht die Bedeutung einer schnellen Reaktion von Plattformbetreibern auf Beschwerden über falsche Bewertungen, um den Ruf und die wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen zu schützen. Da Google jedoch oft langsam reagiert, wird geschädigten Unternehmen geraten, schnell rechtliche Schritte einzuleiten, um ihren Ruf zu verteidigen.
18.09.2018: LG Frankenthal -Az. 6 O 39/18- sekundäre Darlegungspflicht von Bewertungsportal
Das Landgericht Frankenthal entschied, dass ein Ärztebewertungsportal verpflichtet ist, eine negative Bewertung zu löschen, wenn es nicht nachweisen kann, dass ein Patientenkontakt tatsächlich stattgefunden hat. Der Fall betraf einen Kieferorthopäden, der eine negative Bewertung auf dem Portal Jameda erhielt, die seine berufliche und persönliche Integrität stark angriff. Die Bewertung umfasste eine sehr schlechte Gesamtnote und detaillierte negative Einzelbewertungen. Der Kläger bestritt, den Patienten jemals behandelt zu haben, und forderte das Portal zur Löschung der Bewertung auf.
Das Bewertungsportal leitete ein Prüfverfahren ein und forderte vom angeblichen Patienten Belege für die Behandlung. Der Patient legte jedoch nur ein geschwärztes Abschlussschreiben vor, das weder ein Datum noch seinen Namen enthielt. Weitere Belege wurden verweigert. Das Portal löschte daraufhin lediglich den beleidigenden Teil der Bewertung („Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch“), ließ aber den Rest der Bewertung online.
Der Kieferorthopäde klagte daraufhin auf vollständige Löschung der Bewertung und bekam Recht. Das Gericht betonte, dass zwar der Arzt in erster Linie die Beweislast trägt, um die Unrichtigkeit einer Bewertung nachzuweisen, jedoch auch eine sogenannte sekundäre Darlegungspflicht des Bewertungsportals besteht. Da der angebliche Patient keine ausreichenden Belege für die Behandlung vorgelegt hatte, hätte das Portal die Bewertung komplett löschen müssen.
Das Landgericht Berlin entschied am 8. November 2018, dass die Grundsätze des Jameda-Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) auf andere Bewertungsportale, einschließlich Google, übertragbar sind. Demnach muss Google auch Bewertungen löschen, denen kein tatsächlicher Kundenkontakt vorausgegangen ist.
Im konkreten Fall hatte eine Werkstatt gegen eine negative Google-Bewertung geklagt, die unterstellte, die Werkstatt manipuliere Bewertungen und sei unseriös. Der Antragsteller, also die Werkstatt, hatte Google darauf hingewiesen, dass weder er noch seine Mitarbeiter den Verfasser der Bewertung als Kunden identifizieren konnten und forderte daher die Löschung der Bewertung. Google verweigerte dies und verbreitete die Bewertung weiter, woraufhin die Werkstatt im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens die Löschung erwirken wollte.
Das Gericht stellte klar, dass Bewertungsportale wie Google verpflichtet sind, Beanstandungen zu prüfen, wenn der Bewertete angibt, dass kein Kundenkontakt stattgefunden hat. Diese Prüfpflicht ergibt sich aus dem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Bewerteten, welches Vorrang hat, wenn die Bewertung auf falschen Tatsachen beruht oder keinen Bezug zur Realität hat.
Die Entscheidung des Gerichts basierte auf dem BGH-Urteil zum Ärztebewertungsportal Jameda, bei dem festgestellt wurde, dass Nutzer keine nicht stattgefundene ärztliche Behandlung bewerten dürfen. Dieses Urteil sei grundsätzlich auf andere Bewertungsportale übertragbar, so das Gericht. Google hätte nach der Mitteilung des Antragstellers eine erneute Prüfung vornehmen und Kontakt zum Verfasser der Bewertung aufnehmen müssen. Da Google dies nicht ausreichend getan hatte und auch nach einer Frist von 14 Tagen die Bewertung nicht gelöscht wurde, entschied das Gericht zugunsten der Werkstatt.
23.12.2020: LG Frankfurt – Az. 2-03 O 418/20- Haftung des Host-Providers bei Persönlichkeitsrechtsverletzung
Das Landgericht Frankfurt a.M. (Az. 2-03 O 418/20) hat die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Haftung des Host-Providers in Bezug auf die Verbreitung von Gerüchten konsequent angewendet: Ein Host-Provider ist nach Inkenntnissetzung als Störer zu qualifizieren.
Wesentliche Punkte der Entscheidung:
- Mittelbarer Störer: Ein Host-Provider oder Betreiber eines Internetportals kann als mittelbarer Störer haftbar gemacht werden, wenn er positive Kenntnis von einer Rechtsverletzung durch einen von Dritten eingestellten Inhalt erlangt (BGH NJW 2007, 2558). Zwar besteht keine allgemeine Verpflichtung, die eingestellten Inhalte auf mögliche Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu überprüfen (BGH NJW 2012, 2345 – RSS-Feeds; BGH NJW 2012, 148). Sobald jedoch eine Rechtsverletzung bekannt wird, ist der Host-Provider zur Unterlassung verpflichtet. Das Unterlassen der Entfernung eines als unzulässig erkannten Beitrags perpetuiert die Persönlichkeitsrechtsverletzung. Als „Herr des Angebots“ hat der Betreiber des Forums den vorrangigen rechtlichen und tatsächlichen Zugriff und ist somit nach allgemeinem Zivilrecht zur Beseitigung und zur Verhinderung künftiger Rechtsverletzungen verpflichtet (BGH NJW 2007, 2558 Rn. 9; BGH NJW 2016, 2106 Rn. 23 – Ärztebewertungsportal III).
- Abwägung der Rechte: Die Feststellung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung erfordert eine Abwägung zwischen dem Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 8 Abs. 1 EMRK) und dem Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit des Providers (Art. 5 Abs. 1 GG; Art. 10 EMRK). Wenn der Provider mit einer konkret gefassten Beanstandung konfrontiert wird, bei der der Rechtsverstoß offensichtlich ist, kann eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts erforderlich sein, einschließlich einer Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen (OLG Frankfurt a.M. NJW 2018, 795 Rn. 36; LG Frankfurt a.M., Urt. v. 13.09.2018 – 2/03 O 123/17, BeckRS 2018, 37426 Rn. 50; LG Hamburg MMR 2018, 407). Dies gilt auch bei Streitigkeiten über die Zulässigkeit einer Meinungsäußerung (BGH NJW 2018, 2324 Rn. 32 – Suchmaschine).
Verpflichtung zur Löschung:
Eine Verpflichtung zur Löschung des beanstandeten Eintrags entsteht, wenn:
- Rechtswidrige Verletzung: Auf Grundlage der Stellungnahme des für den Beitrag Verantwortlichen und einer etwaigen Replik des Betroffenen sowie etwa zu verlangender Nachweise eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung festgestellt wird.
- Unterlassene Stellungnahme: Keine Stellungnahme des Dritten eingeholt wird und der Host-Provider somit seinen Prüfpflichten nicht nachkommt.
Dieses Urteil verdeutlicht, dass Host-Provider bei der Inkenntnissetzung über rechtswidrige Inhalte aktiv werden müssen, um eine fortlaufende Verletzung der Persönlichkeitsrechte zu verhindern.